Nachhaltigkeit bei der Vertragsgestaltung – nicht nur eine Compliance-Aufgabe

Für viele Unternehmen spielt das Thema Nachhaltigkeit inzwischen nicht nur aus Compliance-Gründen eine bedeutende Rolle. Einerseits, um Alleinstellungsmerkmale im Wettbewerb herauszuentwickeln und langfristig beizubehalten, andererseits aus der schlichten Motivation heraus, mit der allgemeinen Nachhaltigkeitsentwicklung der Wirtschaft Schritt halten zu können, wollen Unternehmen heutzutage „grün“, „ökologisch“ und „nachhaltig“ sein.

 

Dies setzt zwangsläufig voraus, dass die Unternehmen in Vertragsbeziehungen zu ihren Zulieferern und Kooperationspartnern Regelungen aufnehmen, die diese Nachhaltigkeit herstellen, halten oder auch nur gewährleisten sollen. Darüber hinaus wird es insbesondere auch im Kaufrecht immer mehr auf die Konformität mit umweltrechtlichen Standards und die Einordnung von Nachhaltigkeitsaspekten in die Beschaffenheitsbegriffe ankommen – insbesondere dann, wenn es darum geht, ob eine Kaufsache mit einem Sachmangel behaftet ist und welche Rechte dem Käufer oder der Käuferin zur Seite stehen.

Theorie vs. Praxis

 

Unternehmen fällt es oftmals schwer, das Thema Nachhaltigkeit rechtssicher in ihre Verträge und Allgemeinen Geschäftsbedingungen einzubeziehen. Ratsam erscheint also zunächst, Verträge und Allgemeine Geschäftsbedingungen so zu gestalten, dass sie umweltfreundliche Praktiken und Verfahren fördern. In der Regel geschieht dies durch die Verpflichtung zur Einhaltung bestimmter Umweltstandards oder die Förderung vorzugswürdiger Energievarianten, z. B. erneuerbarer Energien.

 

Bei der Verortung solcher Nachhaltigkeitsverpflichtungen wird allerdings oft übersehen, dass es sich bei Klauseln dieser Art regelmäßig um Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne des § 305 BGB handelt, die in der Folge den strengen Anforderungen des AGB-Rechts unterfallen und zudem von einer umfangreich ergangenen Rechtsprechung weiter beeinflusst werden.

 

Nicht nur, aber auch im Bereich der Verpflichtung, umweltfreundliche Praktiken zu fördern, ist bei der vertraglichen Umsetzung daher streng darauf zu achten, nicht über das Ziel hinaus zu schießen. In praktischer Hinsicht bedeutet das, nur solche Verpflichtungen zu integrieren, die darauf abstellen, dass der Vertragspartner lediglich für die Geschäftsbeziehung und die von ihm übernommene Leistungsschuld einschlägige gesetzliche Regelungen einzuhalten hat. Dies ergibt sich schon daraus, dass eine darüberhinausgehende Regulation in der Regel eine unzulässige Benachteiligung des Vertragspartners in Form einer einseitigen Interessensdurchsetzung des auf Nachhaltigkeit bedachten Unternehmens durch einseitige Vertragsgestaltung ohne Nachteilsausgleich darstellt.

 

Zudem ist darauf zu achten, dass der genaue Verpflichtungsumfang des Vertragspartners klar und bestimmt aus der Vertragsformulierung für diesen herauszulesen ist. Ist dies nicht der Fall – insbesondere dann, wenn vermeidbare Unklarheiten im Vertrag verbleiben – scheitern derartige Nachhaltigkeitsregelungen am sog. Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB. Die diesbezüglichen Anforderungen wurden im Laufe der vergangenen Jahre kontinuierlich verschärft, sodass missverständliche Klauseln – unabhängig davon, ob sie absichtlich oder versehentlich so gefasst wurden – vor den zuständigen Gerichten häufig für unzulässig erklärt werden.

 

Soziale Auswirkungen von Verträgen

 

Nachhaltigkeit in Verträgen bedeutet aber auch, die sozialen Auswirkungen eines Vertrages zu berücksichtigen. Dies kann sich darin spiegeln, eine faire Behandlung aller beteiligten Parteien im Vertragsverhältnis zu gewährleisten, aber auch, Menschenrechte und Arbeitsbedingungen zu respektieren. Hier spielen seit Kurzem diverse Verpflichtungen zur Einhaltung der Anforderungen des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG) oder der Schutz von Hinweisgebern und -geberinnen für Compliance-Verstöße eine tragende Rolle. Dazu spiegelbildlich gilt jedoch auch, dass ein „Überziehen“ der Verpflichtungen für den Vertragspartner, das über die gesetzlichen Verpflichtungen hinausgeht, schnell in einer unzulässigen Benachteiligung des Vertragspartners im Sinne des § 307 BGB enden kann. Diese zur Unwirksamkeit der Regelung führende Überregulation zerstört sodann sehr schnell das Ziel, in der gesamten Lieferkette Nachhaltigkeit vertraglich durchzusetzen. Aufgrund der wachsenden rechtlichen Anforderungen und auch zukünftig neuen Gesetzeserwägungen müssen Verträge stets aktualisiert werden. So hat die EU-Kommission am 23. Februar 2022 als erste EU-Institution den Vorschlag für eine Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) mit umfassenden Sorgfaltspflichten für Umwelt und Menschenrechte veröffentlicht. Bis spätestens Ende 2025 soll die EU-Richtlinie in nationales Recht umgesetzt und das LkSG angepasst werden.

 

Noch heute wird in der Praxis häufig mit Vertragsmustern, Allgemeinen Einkaufsbedingungen oder Verhaltenskodizes gearbeitet, die die Anforderungen des AGB-Rechtes missachten und dabei das gewünschte Ziel, nämlich Nachhaltigkeitsgrundsätze vertraglich rechtssicher zu regeln, deutlich verfehlen. Entsprechendes gilt auch für Klauseln, in welche derartige Nachhaltigkeitsregelungen zwar integriert sind, die jedoch mit dem (Vertrags-)Thema selbst und/oder mit der ursprünglich vereinbarten Leistungsschuld des Vertragspartners nicht in Zusammenhang stehen. Solche Klauseln werden von der Rechtsprechung zügig als überraschende Klauseln im Sinne des § 305 c Abs. 1 BGB eingeordnet und bleiben demzufolge wirkungslos.

 

Im Ergebnis verbleibt, dass Transparenz des Vertragsverhältnisses ein wichtiges Thema der rechtssicheren Verortung von Nachhaltigkeitsklauseln bei Verträgen ist. Verträge und AGB müssen klar und verständlich formuliert sein, sodass alle Parteien zu jedem Zeitpunkt die Auswirkungen des Vertrages auf die Gesellschaft und die Umwelt verstehen können.

 

 

Vertrauen versus Kontrolle

 

Schlussendlich spielt auch die Frage, inwiefern die Einhaltung von Nachhaltigkeitsregelungen aus standardisierten AGB- und Vertragsklauseln sichergestellt werden kann. Was soll geschehen, wenn der Vertragspartner sich nicht an die Nachhaltigkeitsverpflichtungen hält?

 

Hier kommt dem Thema Pönalen, insbesondere in Form von Vertragsstrafen oder Schadenspauschalen, eine tragende Bedeutung zu. Gleichwohl ist in diesem Zusammenhang festzustellen, dass die aktuellen AGB-rechtlichen Anforderungen an solche Vertragsstrafenregelungen und Schadenspauschalierungen in der Praxis oftmals nicht eingehalten werden – dies mag zum einen in der immer komplexer werdenden Rechtsprechung mitsamt den verschärften Anforderungen und teilweise auch inhaltlich deutlichen Veränderungen der rechtlichen Mechanismen gründen, findet seinen Ursprung ebenso häufig jedoch auch in der nicht hinreichend professionellen Begleitung des Vertragswesens in Unternehmen.

 

 

Fazit

 

Die rechtssichere Einbeziehung von Nachhaltigkeitsklauseln in Verträgen und AGB ist schon heute prioritäre Compliance-Aufgabe in Unternehmen. Für so geartete Klauseln gelten jedoch die gleichen strengen AGB-rechtlichen Anforderungen wie für sämtliche weiteren Vertragsbestandteile auch. Ohne eine rechtswirksame Absicherung der Nachhaltigkeitsverpflichtung des Vertragspartners sind Nachhaltigkeitsregelungen in Verträgen oft nur ein stumpfes Schwert. Verfasser von Nachhaltigkeitsregelungen in Verträgen sind daher gut beraten, sich mit einer vertieften Vertrags- beziehungsweise AGB-rechtlichen Expertise auszustatten. Dies gilt in gleicher Weise auch für an die originäre Vertragsgestaltung angrenzende Felder wie beispielsweise das kaufrechtliche Gewährleistungsrecht – etwa dann, wenn es um die Frage geht, ob Nachhaltigkeitszusagen Auswirkungen auf die Beschaffenheit einer Sache haben.

 

Die Autoren Christoph Schmitt und David Krause, LL.M. (Edinburgh) sind Partner bzw. Rechtsanwalt der Sozietät Hoffmann Liebs, Düsseldorf. Sie sind als Experten im Vertrags- und AGB-Recht mit der vertragsrechtlichen Regulation von Nachhaltigkeitsprojekten in Verträgen für Unternehmen befasst.

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