Neue Blogreihe – How to: Projektverträge | Teil 1: Change Request Klauseln

Ein Projektvertrag entsteht ebenso wenig wie das Projekt selbst über Nacht. Im Gegenteil: Oft sind diverse Abstimmungsrunden zu komplexen Details – ob rechtlicher, technischer oder kommerzieller Natur – erforderlich, bei denen es einmal mehr auf Verhandlungsgeschick, Erfahrung und Fingerspitzengefühl ankommt. Mögliche Interessenkonflikte zwischen den Parteien sollten dabei bestenfalls erkannt werden, bevor sie entstehen und im Rahmen regelmäßiger Touchpoints einer Lösung zugeführt werden.

 

In dieser neuen Blogreihe möchten wir – Sebastian Herrmann und Julia Dunkel – in der Projektpraxis besonderes relevante und gleichzeitig fehlerträchtige Themenfelder nebst deren Abbildung im Vertrag beleuchten und dafür sensibilisieren, wie nah rechtliche Sicherheit und diskursives Pulverfass beieinander liegen können.

Teil 1: Change Request Klauseln

 

Der Projektvertrag kennzeichnet sich in erster Linie durch eine Fülle an maßgeschneiderten und auf das Projekt gemünzten Bedingungen. Wesentlicher Zweck ist es, neben der Regelung der maßgeblichen kommerziellen und technischen Konditionen Konfliktpotential zu antizipieren und vertraglich einem praktikablen Lösungsregime zuzuführen.

 

Zentraler Vertragsbestandteil ist die Darstellung des Leistungsgegenstandes. Beide Parteien sollten ein ganz wesentliches Interesse daran haben, diesen möglichst konkret und in ausreichender – meist technischer – Detailtiefe zu beschreiben. Gegenstück ist die Vereinbarung der Vergütung, die – wie es die Juristen nennen – im Synallagma zum Leistungsgegenstand steht und dementsprechend in der Höhe naturgemäß durch dessen Umfang und dahinterstehendem (Personal-/Material-)Aufwand bestimmt wird.

 

Insbesondere bei umfangreichen und langfristigen Projekten kommt es häufig dazu, dass die Projekte im Hinblick auf den ursprünglich geplanten Leistungsgegenstand nicht linear umgesetzt werden können. Aufgrund von Projektbesonderheiten, etwaigen Wünschen dahinterstehender Endkunden, Änderungen maßgeblicher Begleitkriterien, etc. sind nicht alle vom Auftragnehmer zu erfüllenden Leistungen en detail vorherbestimmbar, die es zur Erreichung des festgelegten Ziels bedarf. Erkennt eine Partei, dass das Leistungsportfolio anzupassen oder zu ergänzen ist, muss der Vertrag hierfür Regelungen bereithalten. Nur so kann sichergestellt werden, dass eine für beide Seiten gewinnbringende weitere Zusammenarbeit auf Basis des geschlossenen Vertrages möglich ist, insbesondere das ursprünglich begründete Gleichgewicht von Leistung und Gegenleistung gewahrt bleibt.

 

 

Die Change Request Klauseln

Dass es eine Change Request Klausel in den Vertrag schafft, geschieht meist auf Veranlassung des Auftraggebers, denn schließlich ist er oft im Rahmen der (nachgelagerten) Leistungsbeziehung den Wünschen und Änderungsvorhaben seines Endkunden ausgesetzt. Die Implementierung einer Change Request Klausel schafft die Möglichkeit, unter bestimmten Voraussetzungen und in dem entsprechend skizzierten Maß von dem ursprünglich vereinbarten Leistungsgegenstand abzuweichen; je nach Ausgestaltung, sowohl inhaltlich als auch mengenmäßig. Der Auftraggeber erhält so die (nötige) Flexibilität, das Projektvorhaben anpassen oder abändern zu können.

 

An sich ist das ein Bruch mit dem allgemeinen Grundsatz „Pacta sunt servanda – Verträge sind einzuhalten“. Daher ist es umso wichtiger, dass Change Request Klauseln darlegen, wann ein Change Request vorliegt und wie der Auftraggeber ein solches ausüben kann. Bei der Formulierung dieser Art von Klausel ist darüber hinaus den Konsequenzen für das Verhältnis Leistung – Gegenleistung ausreichend Rechnung zu tragen:

 

 

Abgrenzung zur gewährleistungsrechtlichen Nachbesserung

Um einen Change Request von der Aufforderung des Auftraggebers gegenüber dem Auftragnehmer im Mangelfall, seine Leistung mangelfrei und ggf. noch einmal zu erbringen, abgrenzen zu können, ist es von erheblicher Wichtigkeit, das ursprüngliche Projekt, speziell dessen Gegenstand, klar zu formulieren. Das ist üblicherweise Sache einer Vertragsanlage (Spezifikation, Lastenheft, etc.). Nur wenn hinreichend bestimmt wurde, was als vertraglicher Soll gilt, kann ein Vergleich zum faktischen Ist und perspektivisch Gewolltem gezogen werden.

 

Anhand dieses Vergleiches wird sodann bewertet, ob der Auftragnehmer eine Leistung im Rahmen des vertraglich Geschuldeten fordert oder etwas Abweichendes – einen Change.

 

Diese Unterscheidung ist von ganz erheblicher rechtlicher Bedeutung: während der Auftragnehmer zur mangelfreien Leistung bzw. Mangelbeseitigung verpflichtet ist, muss er einem Change Request, ganz grundsätzlich und dem bloßen Gesetz nach, keine Folge leisten und seine Zustimmung zu einer nachträglichen Leistungserweiterung/-umschreibung erteilen. Es liegt im Namen der Sache: Es ist ein Request. Kein Demand.

 

Im Rahmen einer Change Request Klausel ist es jedoch möglich zu regeln, dass der Auftragnehmer jedenfalls dazu verpflichtet ist, binnen einer im Einzelnen zu bestimmenden Frist auf den Change Request des Auftraggebers zu reagieren und mitzuteilen, ob er der Änderung des Leistungsgegenstandes zustimmt oder nicht (sofern er dem Wording der Klausel nach hierzu nicht sogar schon per se verpflichtet ist).

 

 

Interessen des Auftragnehmers

Sofern der vom Auftraggeber gestellte Vertrag eine Change Request Klausel vorsieht, was bei größeren Projektverträgen Usus ist, muss der Auftragnehmer ein besonderes Augenmerk darauf richten, dass die Klausel seine (wirtschaftlichen) Interessen ausreichend absichert:

 

 

Abgelehnt!

Dem folgenreichsten Interesse (wenn auch gleichwohl nicht dem größten) des Auftragnehmers entspricht es, vertraglich überhaupt erst die Möglichkeit zu erhalten, den Change Request abzulehnen.

 

Stellt der Auftragnehmer z.B. fest, dass der Change Request bereits aus technischen Gründen nicht umgesetzt werden kann, muss er zumindest in solchen Fällen dazu berechtigt sein, diesen abzulehnen und mit der Ausführung des ursprünglich vereinbarten fortzufahren. Ähnlich verhält es sich, wenn der Auftragnehmer erkennt, dass er zwar für das ursprünglich Verlangte sehr wohl die fachlichen Kompetenzen mitbringt, nicht aber für das Änderungsvorhaben. Wenn das perspektivisch Gewollte „out-of-scope“ des Auftragnehmers liegt, sollte er den Change Request ablehnen dürfen.

 

In diesem Zusammenhang drängt sich die Frage auf, was passiert, wenn der Change Request zwar technisch zumutbar und auch im Rahmen des Kompetenzbereichs des Auftragnehmers liegt, dieser den Request aber trotzdem ablehnt. Ist der Auftraggeber dann zur Kündigung des Projektvertrages berechtigt?

 

Was passiert, wenn der Request zwar außerhalb des Kompetenzbereiches liegt, der Auftragnehmer aber ermächtigt wird, Subunternehmer einzustellen und der Auftraggeber eine angemessene Kostenkompensation vorschlägt?

 

Auch das sollte wesentlicher Regelungsgegenstand einer Change Request Klausel sein.

 

Wer bezahlt’s?

Diese Frage bildet das größte Interesse des Auftragnehmers ab.

 

Der Auftragnehmer hat seine Kosten- und Vergütungskalkulation auf Basis des originär zwischen den Parteien Vereinbartem erstellt. Ändert sich nun auf der einen Seite die geschuldete Leistung gerät die Waage zwischen Leistung und Gegenleistung aus dem Gleichgewicht. Denn schließlich geht mit einer Leistungsänderung oft eine Verschiebung oder Mehraufwendung von Material, Arbeitszeit und Personal einher. Die vertragliche Festlegung von Mechanismen zur Anpassung der Vergütung, sodass Mehrkosten auskömmlich erstattet werden, ist daher von elementarer Bedeutung. Spricht der Vertrag in diesem Zusammenhang lediglich von einer „angemessenen Preisanpassung“, wie man es leider oft liest, sollte zumindest konkretisiert werden, was die Parteien unter „angemessen“ verstehen. 

 

Ein aus Sicht des Auftragnehmers guter Vertrag beantwortet die Frage der Vergütungsanpassung erheblicher spezifischer (etwa im Sinne einer Bezugnahme auf eine spezifizierte Kalkulationsbasis oder schlicht die Erstattungspflicht des Auftraggebers für alle (nachgewiesenen) Mehraufwände).

 

Darüber hinaus gilt: „Augen auf bei der Festpreisabrede!“. Nicht selten werden Projektverträge unter der Vereinbarung eines Fest- oder Pauschalpreises geschlossen. Schließt der Auftragnehmer solche Verträge ab, sollte er darauf achten, dass im Falle der Geltendmachung eines Change Requests durch den Auftraggeber von der Pauschalvergütung abgewichen werden kann. Wird die Festpreisabrede kategorisch, ausnahmslos und vorbehaltslos in den Vertrag aufgenommen und gleichzeitig dem Auftragnehmer die Möglichkeit eines Change Requests gewährt, kann es für den Auftragnehmer zu weitreichenden finanziellen Folgen kommen.

 

Im Sinne des Auftraggebers sollte hingegen festgelegt werden, welche Änderungen als so marginal gelten, dass sie mit der ursprünglichen Vergütung als abgegolten gelten.

 

 

Terminbindung

Bei umfangreichen Projektverträgen besteht nicht nur zwischen Auftragnehmer und Auftraggeber ein Vertragsverhältnis. Teil der Gesamtumsetzung sind auch Endkunden, Lieferanten, Zwischenhändler und Subunternehmer. Da die einzelnen Akteure wie Zahnräder ineinandergreifen müssen, sind Terminverschiebungen oder Fristversäumnisse mit weitreichenden Konsequenzen verbunden, daher nicht selten mit vertraglichen Pönalen zulasten des Auftragnehmers sanktioniert.

 

Während der Auftraggeber den Standpunkt vertreten dürfte, der ursprünglich festgelegte Terminplan sei auch im Falle von Change Requests verbindlich einzuhalten, wird der Auftragnehmer sich auf ein diesbezügliches Anpassungserfordernis berufen. Aus diesem Spannungsfeld erwächst die Notwendigkeit, dass der Vertrag auch die Frage nach einer etwaigen Aufhebung der Terminbindung beantworten sollte. Ob die Parteien dabei einen Pauschalumfang oder eine individuell zu bestimmende Terminverschiebung vereinbaren, ist Verhandlungssache.

 

 

Fazit

Am Verhandlungstisch ist jede Seite selbst dafür verantwortlich, dass ihre Interessen bestmöglich Einzug in den Vertrag erhalten. Wenn dann ein Interessenausgleich geschaffen wird, ist die Basis für eine konstruktive und kollegiale Zusammenarbeit gelegt.

 

Das alles klingt nach einer umfangreichen Klausel? Nun ja, das ist es auch, im Interesse beider Parteien.

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