Rahmenlieferverträge: Dauerfalle für Unternehmen? (Teil 2 – Lieferpflichten)

Rahmenlieferverträge sind in der Wirtschaft ein fest etabliertes Instrument, um Lieferbeziehungen zu regulieren. Sie bieten die Möglichkeit, Lieferprozesse zu verschlanken, indem sich die Parteien nur ein Mal für eine Vielzahl von Rechtsgeschäften auf die Bedingungen für Zulieferer für die Lieferung und Abnahme der Ware einigen.

 

Dabei kommt es oft zu der Situation, dass gerade die Käuferseite von dem Bestand und der vertragsgerechten Durchführung des Rahmenliefervertrages abhängig ist. Im Falle des Falles müssen aber viele Unternehmen feststellen, dass die von ihnen (oder auch von juristischer Seite für sie) entworfenen Klauseln des Rahmenliefervertrages nichts oder jedenfalls nicht das wert sind, was sich die Parteien erhofft haben.

 

Diese Blogreihe soll für Unternehmen eine Hilfestellung sein, derartige Fehler zu vermeiden – in Teil 2 der Reihe lesen Sie: Wenn der Wunsch zur Belieferung zum Traum wird.

 

Rahmenlieferverträge leben, wie der Name schon nahelegt, vom „Liefern“. Dies setzt jedoch voraus, dass der Vertrag überhaupt eine Lieferpflicht enthält. Daran hapert es jedoch in der Praxis häufig, denn oft regeln die Parteien unter der Überschrift „Rahmenliefervertrag“ zwar zahlreiche Konditionen für den Fall eines Vertragsabschlusses, nicht jedoch eine explizite Lieferpflicht des Lieferanten. Obwohl die Überschrift des Vertrages „Rahmenliefervertrag“ zum Ausdruck bringt, enthalten solche Vertragswerke jedoch oft nur eine sog. Konditionenvereinbarung, sodass es dem Lieferanten frei bleibt, einen Vertrag über die jeweilige Belieferung abzuschließen oder nicht. Dass dies mit einem erhöhten „Erpressungspotenzial“ verbunden ist, liegt auf der Hand.

 

 

In einem Rahmenliefervertrag sind daher in angemessener Weise unter Beachtung des AGB-Rechtes die wechselseitigen Interessen des Käufers und des Verkäufers hinsichtlich einer Lieferpflicht zusammenzubringen. Oft hält es dabei die potenzielle Käuferseite für eine besonders gute Idee, den Lieferanten ohne jeglichen Ausgleich dazu zu verpflichten, jede Bestellung der Käuferseite anzunehmen und damit in unbeschränkter Höhe einer Lieferpflicht zu unterliegen und seine Produktion bzw. sachlichen und personellen Ressourcen ausschließlich für den von einer willfährigen Entscheidung der Käuferseits abhängigen Vertragsvollzug zu reservieren. Die strategisch gut gedachte Idee stellt sich jedoch rechtlich leider als das Gegenteil heraus, da derartige Klauseln von der Rechtsprechung zurecht unter AGB-rechtlichen Gesichtspunkten als unzulässige Benachteiligung des Vertragspartners im Sinne des § 307 BGB abzuurteilen sind. Dies deshalb, weil die Käuferseite bei einer derartigen Vertragsgestaltung versucht, einseitig ihre Interessen mittels einer einseitigen Vertragsgestaltung ohne Nachteilsausgleich für die Verkäuferseite durchzusetzen, was der allgemein gültigen Definition des Bundesgerichtshofes für eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners entspricht.

 

 

Wenn die Käuferpartei im Rahmenliefervertrag daher tatsächlich die Verkäuferseite des Rahmenliefervertrages bindend zu einer Lieferpflicht verpflichten will, wird sie unter AGB-rechtlichen Gesichtspunkten einen ausgleichenden Klauselweg finden müssen. Dieser Weg kann (neben der Zahlung einer Produktionsfreihaltevergütung) u.a. darin bestehen, mit einem teilverbindlichen Forecast und einer hierzu relatierten Lieferverpflichtung des Lieferanten zu arbeiten. Die Käuferseite gibt danach für einen festzulegenden Forecast-Zeitraum mit einer gewissen Vorlauffrist gemäß der vertraglichen Regelung eine Forecast-Erklärung ab und wird verpflichtet, einen festzulegenden Prozentteil dieses Forecasts (der dazu dient, dass der Lieferant sich mit seinen personellen und sachlichen Ressourcen entsprechend auf die Belieferung einrichten kann) beim Lieferanten abzunehmen. Spiegelbildlich wird der Lieferant durch eine entsprechende Vertragsklausel verpflichtet, die Käuferseite in Höhe der verbindlichen Menge des teilverbindlichen Forecasts zu beliefern. Dabei wird man auch unter AGB-rechtlichen Gesichtspunkten der Käuferseite zugestehen können, den Lieferanten zu verpflichten, diese verpflichtende Abnahmemenge aus dem teilverbindlichen Forecast mit einem angemessenen Sicherheitszuschlag (10 bis 15 %) zu versehen.

 

 

Um die vertragliche Regelungssystematik weiter zu verfeinern, kann sodann auch geregelt werden, dass der Lieferant innerhalb einer angemessenen Frist von wenigen Kalendertagen die Bestellung im Rahmen der so verpflichtenden Liefermenge zu bestätigen hat, andererseits jedoch die Lieferpflicht entfällt, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Dieser ist in Ansehung des AGB-rechtlichen Transparenzgebotes nach § 307 I. 2 BGB zu definieren, z. B. in Form von Embargo-Situationen, Nichtverfügbarkeit der Ware bei seinem Vertragslieferanten, etc.

 

 

Wie die volatilen Märkte in den vergangenen Zeiten seit der Corona-Pandemie gezeigt haben, geraten Lieferanten, die sich aufgrund rahmenliefervertraglicher Regelungen zur Lieferung verpflichtet haben, bei abbrechenden Lieferketten oder Preisexplosionen bei für die Herstellung der Lieferung der Vertragswaren erforderlichen Rohstoffen und Zuliefererteile oft in teils existenzielle Risiken.

 

 

Es ist daher geboten, von der Lieferantenseite des Rahmenliefervertrages Klauseln in das Vertragsverhältnis einzubeziehen, die dies verhindern.

 

 

Landläufig wird hierzu auf die Höhere Gewalt- bzw. Force Majeure-Klausel rekurriert. Diese schützt hier jedoch regelmäßig nicht, weil sie nur bei „unvorhersehbaren“ Ereignissen eingreift. Die genannten Ereignisse wie abbrechende Lieferketten, Chip- und Container-Krisen sowie Embargos und kriegerische Auseinandersetzungen sind jedoch größtenteils vorhersehbar.

 

 

Entweder werden daher solche Ereignisse als wichtiger Grund, in dem die Lieferpflicht entfällt, vertraglich vereinbart oder es wird mit dem System der aus dem anglo-amerikanischen Recht stammenden „Härtefall-Klausel“ (hardship clause) gearbeitet.

 

 

Derartige Klauseln stellen eine Nachbildung einer Höhere Gewalt-Klausel, vermengt mit den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB dar. Bei einer derartigen Klausel wird eine Regelung in den Rahmenliefervertrag aufgenommen, mit der die Lieferpflicht des Lieferanten entfällt, wenn zwar abstrakt, aber nicht konkret voraussehbare Szenarien wie die Vorgenannten eintreten. In Anlehnung an die Grundsätze der Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB werden die Parteien verpflichtet, den Vertrag (soweit wirtschaftlich und logistisch zumutbar) aufgrund der eintretenden Ereignisse den daraus folgenden Verhältnissen anzupassen. Ist dies objektiv unmöglich, wird geregelt, dass beide Parteien entschädigungslos vom nicht erfüllten Teil des Vertrages zurücktreten können.

 

 

Je strenger darüber hinaus im Rahmenliefervertrag die Lieferpflicht des Lieferanten geregelt wird, desto wichtiger ist es, auf der Lieferantenseite im Hinblick auf etwaige vorgenannte Preisexplosionen darauf zu achten, dass ein durchsetzbares Preisanpassungsrecht des Lieferanten im Vertrag verankert wird. Klauseln, die im Hinblick auf eine Preisänderung lediglich einen Verhandlungsanspruch generieren, sind hierzu untauglich. Bei einseitigen Preisanpassungsrechten (hierzu in der Blogreihe später) ist zwingend darauf zu achten, dass diese im Hinblick auf die vielfältigen Anforderungen der Rechtsprechung AGB-rechtlich konform gestaltet werden, da sie anderenfalls unwirksam sind.

 

 

Fazit

 

Lieferzeitklauseln sind differenziert und AGB-Recht konform zu formulieren, wenn sie den Traum von der Belieferung wahrmachen sollen und andererseits für den Lieferanten nicht zu einem existenzbedrohenden Albtraum werden sollen.

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